Liebe Leserinnen und Leser,
Pfingsten ist für uns Christen das Fest des Heiligen Geistes. Dem Heiligen Geist werden, so lehrt es die Kirche, sieben Gaben zugeschrieben: Es sind die Gaben der Weisheit, der Einsicht, des Rates, der Erkenntnis, der Stärke, der Frömmigkeit und der Gottesfurcht.
Als erste von den sieben Gaben des Heiligen Geistes wird die Weisheit genannt. Was damit gemeint ist, fasst am besten die alttestamentliche Geschichte über den Sohn des Königs David, Salomo, zusammen. Als Salomo nach dem Tod seines Vaters König geworden war, wollte er Gott ein Opfer darbringen. Da erschien ihm der Herr im Traum und fragte Salomo, was er sich wünsche. Woran würden wir an erster Stelle denken, wenn uns ein Wunsch erfüllt werden könnte? Ein langes, gesundes Leben, Geld, Macht und vielleicht auch noch obendrauf den Tod unserer ärgsten Feinde.
Zum letzten Punkt fällt mir eine Anekdote ein, die aus dem heutigen Leben, zu den Beziehungen von Nachbarn, aber auch Familienmitgliedern stammen könnte: Da wird einem Mann die Möglichkeit eröffnet, dass ihm ein Wunsch in Erfüllung ginge. Doch es gibt eine Einschränkung: „Alles, was du dir wünschst, bekommst du auch. Allerdings bekommt dein Nachbar das Doppelte davon!“ Wäre er ein weiser Mensch, würde er einen Wunsch äußern, von dem beide profitieren könnten. Doch der Narr, der vom Neid zerfressen ist, sagt: „Ich will, dass mir ein Auge ausgestochen wird…“ Ein schrecklicher Wunsch.
Doch Salomo dachte aber nicht daran, sich auf Kosten anderer zu bereichern, sondern er bat Gott um die Weisheit: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht. Wer könnte sonst dieses mächtige Volk regieren?“ (1 Kön 3,9).
Papst Franziskus meinte dazu bei einer Generalaudienz einmal: Die Weisheit „ist die Gnade, alles mit den Augen Gottes sehen zu können. Sie ist einfach das: die Welt, die Situationen, die Zusammenhänge, die Probleme, alles mit den Augen Gottes zu sehen.“
Weise zu sein, bedeutet nicht, intelligent und wissend zu sein. Weise Menschen entscheiden nicht „aus dem Bauch heraus“, lassen sich nicht von Emotionen leiten, sind nicht von Missgunst, Neid, Hass oder Egoismus erfüllt. Weise Menschen unterscheiden zwischen Gut und Böse, zwischen Richtig und Falsch. Der Geist Gottes schenkt ihnen die Gabe, dass sie bei einer wichtigen Entscheidung ihre Alternativen „mit den Augen Gottes“ sehen und die richtige Entscheidung treffen. Mit alltäglichen Worten gesagt, weise Menschen entscheiden besonnen und greifen auf ihre Lebenserfahrung zurück. Sie suchen nach der bestmöglichen Lösung, von der alle, und nicht nur sie allein, profitieren.
Zur Anregung möchte Ihnen folgendes mit auf den Weg geben:
Welche wichtigen Entscheidungen haben Sie in Ihrem Leben bereits getroffen? Wie sind Sie vorgegangen? Wer hat Ihnen dabei beratend zur Seite gestanden? Konnte Ihnen dabei ein Mensch einen wirklich guten, weisen Ratschlag geben? Warum war die Entscheidung im Nachhinein gesehen richtig bzw. falsch?
Vom heiligen Papst Johannes XXIII. (1958-1963) stammt ein schöner Ausspruch, der die Gabe der Weisheit sehr schön auf den Punkt bringt: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Ich wünsche Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, diese Gabe des Heiligen Geistes für all Ihre Entscheidungen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Pfingstfest.
P. Ludwig Eifler O.Carm.
Pfarrer